Liebe Familien,
gerne möchte ich in diesem Beitrag ein wichtiges Thema ansprechen: kindliche Sexualität und Sexuelle Bildung in der Kita. Außerdem soll es um mögliche Unsicherheiten, Ängste und sicherlich auch eigene Schamgefühle gehen, die Sie vielleicht als Eltern verspüren. Wie wir Menschen über Sexualität, also auch kindliche Sexualität, denken und fühlen, hängt stark mit vorhandenem Wissen und der eigenen Biografie zusammen. Eigene Erfahrungen, Werte und Normen, die uns die eigenen Eltern und unser Umfeld als Kinder und Teenager mitgegeben haben, prägen uns stark. Daher kann es nun sehr sinnvoll sein, wenn Sie selbst Eltern geworden sind oder sich intensiv um Kind/er kümmern, immer wieder Reflexionen zu Ihrem Aufwachsen und heutigen Denkweisen und Gefühlen zu machen.
Reflexion:
Es ist völlig normal, Unsicherheiten, Ängste oder ganz andere Gefühle zu haben, wenn es um das Thema Sexualität in der frühkindlichen Erziehung geht. Dies kann mit persönlichen Schamgefühlen zusammenhängen oder auf Fragen zurückzuführen sein, die Sie sich bisher nicht gestellt haben. Eine gute Möglichkeit, diese Unsicherheiten zu überwinden, besteht darin, sich selbst zu reflektieren. Werfen Sie einen Blick auf Ihre eigene Kindheit & Jugend und überlegen Sie:
- Welche Botschaften wurden mir in Bezug auf Sexualität vermittelt?
- Wer hat mich wie aufgeklärt?
- Welche Werte und Überzeugungen habe ich bezüglich Sexualität?
- Wie stehe ich zum Thema Vielfalt und Sexualität? Wie divers ist mein eigenes Umfeld?
- Was verstehe ich eigentlich unter kindlicher Sexualität?
- Was brauche ich, um eine positive Einstellung zur kindlichen Sexualität zu entwickeln?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann dazu beitragen, persönliche Haltungen zu verstehen und gegebenenfalls zu überdenken.
Die Kita als Partner:
Ein wichtiger Schritt zur Überwindung von Ängsten ist das Verständnis dafür, dass sexuelle Bildung in der Kita nichts mit Erwachsenensexualität zu tun hat. Vielmehr liegt der Fokus darauf, die Kinder in ihrer individuellen Entwicklung zu unterstützen. Kinder sind von Natur aus neugierig und erkunden ihre Welt, dazu gehört auch das Erkunden ihres eigenen Körpers und dem von anderen Kindern. Diese Entdeckungen sind ein normaler und gesunder Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Pädagogische Fachkräfte sind laut Gesetz verpflichtet, alle Kinder, egal welches Geschlecht sie haben, reflektiert und gendersensibel zu begleiten und alle Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern. Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich jederzeit an die Fachkräfte oder Kitaleitung wenden. In vereinbarten Gesprächen können Sie dann in Ruhe ihre Bedenken, Sorgen und Fragen loswerden. Wenn Sie merken, dass die Kita Ihnen keine Gespräche anbieten will zum Thema Sexuelle Bildung und kindliche Sexualität, dürfen Sie sich z. B. an den Kitaträger wenden.
Vielfältige Ausdrucksformen kindlicher Sexualität:
Die kindliche Sexualität äußert sich auf vielfältige Weise:
- Körperbewusstsein: Kinder werden sich ihrer eigenen Körperlichkeit bewusst und erforschen diese auf natürliche Weise. Dazu gehört z. B., sich an den eigenen Genitalien zu stimulieren und Lust zu bereiten.
- Neugierde: Kinder stellen viele Fragen zu allen möglichen Themen. Die Fragen der Kinder rund um den Körper, Geburt, Schwangerschaft, sexuellen Orientierungen usw. sind Ausdruck ihrer natürlichen Neugierde und Wissbegierigkeit. Sie wollen die Welt mit allen Sinnen begreifen und verstehen, wie das Leben so funktionieren kann, z. B., wen darf man heiraten, wie kommen Babys aus dem Bauch heraus usw. Die Neugier zeigt sich z. B. auch im Erforschen von Matsch, Seife, Knete, wie fühlt sich etwas auf meiner Haut an? Mag ich das? Was kitzelt mich? In Körpererkundungsspielen mit anderen Kindern entdecken Kinder eigene und die Grenzen von anderen. Sie erforschen ihre Körper gegenseitig und wollen manchmal auch herausfinden, ob man Gegenstände oder Finger in Körperöffnungen stecken kann. Dabei brauchen sie Regeln, z. B. dass nichts in Öffnungen gesteckt werden darf. Wenn beide Kinder ungefähr gleich alt und weit in der Entwicklung sind und Lust auf das Spiel haben, ist nichts einzuwenden. (Hier findest du Regeln für Körpererkundungsspiele, die Ihr zuhause besprechen solltet).
- Soziale Beziehungen: Kinder beginnen, soziale Beziehungen zu verstehen und spielen beispielsweise Rollenspiele, die auch Aspekte von Beziehungen abbilden können. Erste Freundschaften entstehen oftmals in der Kita mit Gleichaltrigen oder Kindern, die ähnliche Interessen haben. Viele Kinder tauschen gerne mal Umarmungen, Küsse und Streicheleinheiten aus und lernen somit, was sie selbst gerne machen, wo Grenzen von anderen sind und wie Beziehungen gestaltet werden können.
- Grenzen erfahren: Die Kinder lernen, eigene Grenzen zu erkennen und die Grenzen anderer zu respektieren. Dazu brauchen Sie Erwachsene, die Ihnen dabei helfen und Orientierung geben. Das bedeutet, Sie als Eltern sind gefragt, eigene Grenzen klar zu kommunizieren und die des Kindes eindeutig zu respektieren.
Was sollte die Kita tun:
Zunächst ist jede Kindertageseinrichtung verpflichtet, ein Gewaltschutzkonzept zu formulieren. Ohne dieses Konzept kann der Einrichtung die Betriebserlaubnis entzogen werden. Außerdem muss jede Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe ein sexualpädagogisches Konzept erarbeiten, um ein einheitliches sexualfreundliches Vorgehen im Alltag zu gewährleisten. Zudem sind die Kitas angehalten, je nach eigenem Bildungsplan des jeweiligen Bundeslandes, sich aktuelles Fachwissen zu Sexualpädagogik anzueignen, und reflektiert mit den Kindern umzugehen.
Außerdem sollte die Kita regelmäßig Elternabende zum Thema Sexualpädagogik anbieten, damit Sie als Eltern einen Rahmen bekommen, in dem Fragen besprochen und Austausch mit dem Kitateam und unter den Familien stattfinden kann.
Im Idealfall werden alle Sichtweisen der Eltern und des Teams angehört und nicht bewertet! Jeder Mensch hat seine eigene Wahrnehmung. Allerdings ist das Kitateam verpflichtet, sich gegen Diskriminierungen und für eine sexualfreundliche Bildung der Kinder einzusetzen. Wenn bestimmte Eltern also meinen, dass Sexuelle Bildung nicht in die Kita gehört, wird das Kitateam wahrscheinlich auf Gesetze und Bildungsprogramme sowie die Kita-Konzeption verweisen. Alle Kinder haben das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und sexuelle Bildung in der Kita; alters- und entwicklungsgerecht, sexualfreundlich und gleichzeitig präventiv.
Denn sexuelle Bildung in der Kita geht immer einher mit Prävention zu sexualisierter Gewalt. Und dies sollte allen Eltern wichtig sein.
Nina-Louisa Hebeler
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